Erschienen in der Online-Ausgabe vom Magazin "Waldstück 2 - Sommer 2023"
Schöne Hölzer und scharfe Klingen sind seine Leidenschaft. Und so bietet Tischlermeister Stefan Schneider aus Alfeld einzigartige Messerbau-Kurse an.
Eine gemütliche Holzwerkstatt in Alfeld, die die perfekte Kulisse für eine Neuverfilmung von »Meister Eders Pumuckl« abgäbe. Hinter einer langen Werkbank: sechs Männer und Frauen so um die 50, die an diesem Frühjahrswochenende etwas wahrhaft Scharfes vorhaben. Sie wollen sich ein Messer mit Griff aus heimischem Holz bauen, formvollendet und perfekt auf die eigene Hand zugeschnitten. Das Gegenteil von Fließbandware.
»Hier muss noch was weg«, sagt darum Stefan Schneider nach einer Griffprobe und zeichnet mit Bleistift Stellen auf dem hübschen Eichen- oder Eschenholz an. »Das Ding soll deiner Hand doch schmeicheln, sie nicht stören.« Schneider, 61 Jahre, die man ihm nicht ansieht, ist an diesem Nachmittag irgendwie überall, zeichnet, erklärt, greift nach den Holzrohlingen aus Eiche oder verkernter Esche, hilft beim Raspeln und Feilen nach. Er nimmt die Dinge ohnehin am liebsten selbst in die Hand. »Genauso fing das mit dem Messerbau doch auch an«, erklärt er.
Damals, gut zehn Jahre ist das nun her, hatte er begonnen, eine ehrwürdige Solinger Messerschmiede mit Griffbacken zu beliefern; die fertigen Messer verkaufte er in seinen Ladenlokalen in Alfeld und Hamburg-Ottensen. Nun wartete er auf eine Sendung. Doch die Solinger meldeten: Lieferschwierigkeiten. Kurzerhand ließ er sich die feinen Klingen schicken und über nahm selbst die Produktion. »Ich habe einfach den Spieß umgedreht, fertig,« sagt er und lacht.
Eine Bekannte mit Faible für Handwerk und schöne Formen erfuhr davon und bat Schneider, ihr und ein paar Freundinnen das Messerbauen beizubringen. Er sagte zu, kaufte die Werkbank. Seither bietet er die Kurse regelmäßig an. Natürlich nicht nur. Schneider, Tischlermeister und Holzliebhaber, fertigt vor allem individuelle Möbel – alle aus Bäumen, die er eigens etwa im Landeswald ausfindig gemacht und aufgeschnitten hat: alte Ulmen, Eschen, knorrige Kirschen, Ahorn. Sein Schatz: knapp 15.000 Jahre alte Mooreichen-Bohlen. Messer- und auch Hockerbau-Kurse gibt er nebenbei. Das aber sehr gern – wie an jenem Wochenende.
Die Klingen haben sich die Teilnehmenden vorab ausgesucht: Manche planen ein Brot-, andere ein Allzweck-, Fleisch- oder Käsemesser. Die »Griffbacken« formen sie nun vor Ort, passen sie auf ihre Hände und Bedürfnisse an. Hört man Schneider über Messer sprechen, spürt man schnell, Messer bauen ist mehr als ein Geschäft für ihn, sondern auch Leidenschaft. »So ein Messer ist doch der wichtigste Helfer und Begleiter in der Küche«, sagt er. »Wie im richtigen Leben kann man sich nerven – oder miteinander verschmelzen.«Schneider, der vor seiner Tischler- eine Fleischerlehre machte, schwärmt vom Gefühl, wenn Messer und Handbewegung eins werden, wenn die ultimative Schärfe der Klinge das Metall wie von selbst Brot, Fleisch oder Fisch durchdringen lässt. »Da wollen wir hin«, sagt er zu seinen Kursteilnehmenden.
Schneider »tanzt um den Tisch herum«, so sagt er es selbst, feilt, feixt und tischt den sechs eine Brotzeit auf, die sie – klar! – mit Schneider-Messern schneiden. So ein Kurs ist mit rund 250 Euro Gebühr, Messer inklusive, durchaus eine Investition, »aber eine fürs Leben«, so Schneider. Denn die Messer halten Jahrzehnte, werden oft, so haben es Teilnehmende dem Tischler später erzählt, verwahrt und gehütet wie ein Schatz. Niemand außer ihnen selbst durfte sie nutzen.
»Bislang«, so Schneider, »ist darum noch keiner mit langem Gesicht aus meiner Werkstatt gegangen, sondern immer mit einem Grinsen.« So auch heute.