19.05.2021

Tischler Stefan Schneider in der Alfelder Zeitung

Faszin​ation Holz: Darum hat Stefan Schneider das Fleischerbeil gegen den Hobel getauscht. 

Alfelder Tischler gewährt Einblicke in seinen Arbeitsalltag / Schreck über Versäumnisse von "Leinebergland pur"

 

JAN LIESKE, VERÖFFENTLICHUNG ONLINE AM 19.05.2021 UM 10:06:19 UHR

QUELLE: ALFELDER ZEITUNG 

Sein Vater war Fleischer, deshalb lernte er, Tieren das Fell abzuziehen. Seine Leidenschaft aber galt dem Holz – Stefan Schneider aus Alfeld ist Sammler und Handwerker. Wohin er auch kommt, hat er einen Blick für verborgene und seltene Holze. Eine Mooreiche hat er sogar geborgen, die schon zur Eiszeit die Leine hinuntergeschwommen sein musste. Die AZ hat nachgefragt: Was macht welches Holz warum besonders, und was fertigt Schneider daraus an?

 

Alfeld. Die Tischlerwerkstatt des Alfelder Handwerkers Stefan Schneider ist eine Fundgrube für Holzenthusiasten. Die Werkstatt des 59-Jährigen hat ein großes Holzlager. Hier gibt es nahezu sämtliche Holzsorten – Eiche, Esche, Olive, Wacholder und Flieder –, um nur ein paar davon zu nennen. Schneider durchstreift die umliegende Region immer mit einem Auge auf das besondere Holz. Was andere achtlos entsorgen, entpuppt sich für den Handwerksmeister als Rohstoff besonderer Güte.

Tausende Jahre altes Holz geborgen

 „Das Olivenholz sollte verheizt werden, der Wacholder wäre vergammelt und nur etwas für die Käfer und Pilze gewesen“, sagt Schneider und zeigt auf einen Stapel aufgeschichteter Hölzer. Daneben: Eschen- und Walnussholz. Statt für Hackschnitzel und Osterfeuer ist der nachwachsende Rohstoff nun für Messergriffe und Arbeitsplatten bestimmt.

Außergewöhnlich sind auch aufgeschichtete Scheiben einer uralten Mooreiche, die unter meterdickem Kiesbett Jahrtausende überdauert habe und aus einem Tagebau nahe der Marienburg geborgen worden sei. „Der Baum ist während der letzten Eiszeit die Leine hinuntergeschwommen“, weiß Schneider. Denn die Wurzeln seien schon vor der Konservierung des Holzes abhandengekommen, das sei definitiv Treibholz gewesen.

Holz mit aristokratischer Herkunft

Das Holz einer Eibe stamme aus jener Gartenanlage in Brüggen, die 1770 durch die Familie von Cramm geplant worden sei. Im Laufe des Sommers werde das Holz zu einem Tisch für die Nachfahren verarbeitet.
„Stefan kann zu jedem Holz eine Geschichte erzählen“, beteuert Corinna Zühlsdorff. Die Mitinitiatorin der Alfelder Initiative „Tischlein Deck dich“ ist langjährige Kundin des Tischlers und ließ ihn Möbel und Besteck aus Kirschholz, Zwetschge und Eiche bauen. „Die Bäume standen früher in unserem Garten, da entsteht ein ganz anderer Bezug zum Esstisch“, sagt Zühlsdorff. „Wir kommen immer wieder hierher, weil Stefan ein Künstler ist und seine Erzeugnisse nicht nur eine Generation halten. Da freuen sich die Nächsten auch schon darauf“, sagt die 55-Jährige. Als Künstler sieht sich der Tischler nicht. „Ich bin ein Handwerker, der Wert auf Qualität legt“, sagt Schneider über sich. Die Arbeit führe aber zwangsläufig zu Kontakten in die Kunstwelt. Gemeinsam mit dem Gronauer Künstler Hartmut Elbrecht entstand eine kunstvoll verzierte Tür für die Documenta IX in Kassel. „Ich habe die Tür gebaut und Hartmut sorgte für die Verzierungen und Bemalungen.“

Von der Schweinshaxe zum Holzschnitzel

„Mein erstes Möbelstück habe ich im Werkunterricht in der Habermalz-Schule gebaut“, erinnert sich Schneider. Aus furnierter Spanplatte sei der Schrank gewesen. Für Holz als Werkstoff habe er sich schon immer interessiert. Dabei erlernte der Sohn eines Langenholzer Fleischereibetriebes zunächst das Fleischerhandwerk. „Schon früh als Steppke habe ich gelernt, Kaninchen und Hasen abzuziehen. Ein Kaninchen kostete fertig ausgenommen fünfzig Pfennige und ein Feldhase "'ne Mark“, erinnert sich Schneider und kommt nicht umhin zu berichten, wie er seinen ersten Dammhirsch für einen Jäger aus Sack abgezogen habe. „Das kostet zehn Mark und eine Tafel Schokolade“, habe der Vater damals vom Kunden verlangt.

Mit 25 Jahren verschreibt sich Schneider dann jedoch seiner wahren Leidenschaft und beginnt die Tischlerlehre in der Tischlerei Krüger in Limmer. Nach Feierabend half er in der Fleischerei aus und erarbeitete sich einige Jahre später unermüdlich seinen Meisterbrief. „Für den Vater war das viele Jahre schwer zu verstehen, dass ich den Betrieb nicht übernommen habe.“ Stattdessen folgte er seinem Herzen. Seit 1998 betreibt Schneider nun seinen eigenen Handwerksbetrieb Am Weidenknick in Alfeld und eröffnete 2001 das Ladengeschäft an der Winde. Hier verkauft er direkt an Kunden Messer, Bretter, Tische und andere Tischlereiartikel. „Ich bin Tischler geworden, weil ich der Welt zeigen möchte, dass es nicht immer Spanplatte sein muss“, erklärt der Tischler mit Nachdruck, und es wird deutlich, mit wie viel Wertschätzung und Ehrfurcht er seinen Werkstoffen entgegentritt. Und das können die Kunden im Geschäft an der Winde hautnah miterleben, denn der direkte Kontakt zu seinen Kunden ist für Schneider ausschlaggebend. Wertvolles Material nachhaltig so zu verarbeiten, dass ein jahrzehntelanger Gebrauchswert garantiert ist, mündet in Schneiders Motto: „Massivholz einsetzen, wo es geht und bezahlbar ist“. „Viele Kontakte sind über die Präsentation meiner Arbeiten dort im Geschäft entstanden“, erzählt Schneider. Seiner Erfahrung nach sei das Einrichten und Gestalten von Innenräumen  nach wie vor „Frauensache“. Er biete mit seinem Laden gerade für Männer eine Alternative zum konsumorientierten, stressigen Besuch im Möbelhaus. Vor allem die tiefgründige Auseinandersetzung über die verschiedenen Werkstoffe begeistere die Männerwelt, sodass es nicht selten sei, dass ein Mann seine Frau zu einem Einkauf in Schneiders Geschäft überrede.

Das sagt Schneider über die AZ-Recherche zur Marke „Leinebergland pur“

„Das hat mich heute morgen stark erschreckt, als ich von den Versäumnissen der Initiative „Leinebergland pur“ aus der Alfelder Zeitung erfahren habe“, sagte Stefan Schneider. Der Tischlermeister sieht die Initiative als ein wichtiges Bindeglied zwischen der Region und ihren Machern. Beide Seiten könnten aus einer solchen Kooperation gestärkt hervorgehen.
„Wir werden, soweit das umsetzbar ist, dabei bleiben, solange keine weiteren krummen Sachen rauskommen“, sagte der Handwerker. Noch am Montag habe Schneider mit den Ansprechpartnern von „Leineland pur“ telefoniert. Dort versicherte man ihm, einen Weg zur Einigung mit dem Unternehmer Oliver Schwartz zu finden. Sollte das nicht möglich sein, werde es wohl einen neuen Namen für die Regionalmarke geben.

 

von Jan Lieske

Quelle: Alfelder Zeitung, 19.05.2021

 

Tischlerei Stefan Schneider in der Alfelder Zeitung
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